Sonntag, 30. Mai 2010

Surfen gegen das schlechte Wetter: Per Anhalter durchs Netz (Serie, Teil 13)

Draußen sind 11 Grad, es ist beinahe Juni und es soll auch im Laufe der Woche noch nicht wärmer werden. Da hilft leider auch der unerschütterliche Optimismus meiner bezaubernden Mitbewohnerin nicht mehr weiter, schließlich kann es nicht ständig regenfreie WG-Partys im Garten geben. Das einzige, was zu helfen scheint, sind warme Gedanken inspiriert durch Sommermusik. Glücklicherweise hat mir ein Freund einen phantastischen Tipp zugespielt (Спасибо тебе, Томас!). Die unglaublich junge New Yorker "The"-Band weiß wie man Surfer-Mucke macht und dabei besser klingt als The Beach Boys. All das hat mich an den phantastischen Unsinns-Film "Brice de Nice" erinnert. (Wer den Film nicht kennt: Brice ist eine Art französischer Ali G.)
The Drums - Let's go surfing

Ich wünsche viel Erfolg im Kampf gegen die dunkle Seite des Sommers.

Montag, 24. Mai 2010

May your song always be sung! Per Anhalter durchs Netz (Serie, Teil 12)

Wie langweilig wäre es, dem heute vor 69 Jahren geborenen Robert Allen Zimmermann mit seinem eigenen Song zu gratulieren, deswegen erlaube ich mir  gratulierenderweise nur dieses eine kleine Zitat. Ich habe mich auf die Suche nach anderen Zitaten gemacht. Fündig wurde ich in der allwissenden Wikipedia (Gibt es parallel zum "The Church of Google"-Projekt eigentlich schon ein "The Church of Wikipedia"-Projekt??):
"Ich hab halt das Glück gehabt, dass ich mit nur drei Akkorden zwanzig Lieder spielen kann - und das können eben nur drei auf der Welt - Bob Marley, Bob Dylan und ich. Ich begreif die Gitarre wirklich nur als ein Hilfsmittel, damit ich keine Gedichte aufsagen muss." - Hans Söllner, taz, 24. Oktober 1992
So ist es bestellt um Herrn Dylan, er ist vordergründig ein Poet, auch wenn er das Wort nicht mag und wer seine Musik langweilig findet, hat sich noch zu wenig in seine Texte eingehört. Nicht umsonst wird der Mann seit 1996 jedes Jahr für den Literaturnobelpreis nominiert. Gordan Ball, der amerikanischer Literaturprofessor, der diese Nominierungen zu verantworten hat, sagt dazu: "Poetry and music are linked and Dylan has helped strengthen that relationship, like the troubadours of old." Schöner hätte ich das auch nicht sagen können.

Dylan hat abgefahrene Sätze in meinen Kopf gemeißelt, für die ich ihn für den Rest meines Lebens in ausgesprochen monogamer Weise lieben werde. Man sollte sich jeden einzelnen davon genussvoll auf der Zunge zergehen lassen. Sie sind ein intellektuelles 14-Gänge-Menü.
You never ask questions when God's on your side.# Somebody got lucky, but it was an accident. # The only thing I knew how to do was to keep on keepin' on. # Name me someone that's not a parasite and I'll go out and say a prayer for him. # Even Jesus would never forgive what you do. #Time is a jetplane, it moves too fast. # Oh but what a shame that all we've shared can't last. # Her sin is her lifelessness. # But to live outside the law, you must be honest.
Wie es sich für einen Dichter gehört, hat er auch über die Liebe gesungen und dabei Gefühle so gut auf den Punkt gebracht, dass seine Sätze im Kunderaschen Sinne zu gefährlichen Metaphern werden können, die eine Liebe beginnen lassen oder begleiten oder beenden. Sein Spektrum reicht ozeanweit. Seine Lyrik untermalt zum Beispiel ein Gefühl, das sich nach zu viel enttäuschter Liebe einstellen kann: das Gefühl, dass es völlig beliebig (you just happened to be there, that's all) und zufällig (a simple twist of fate) ist, in wen wir uns verlieben, mit wem wir zusammen sind. Ihn davon singen zu hören, dass Liebe nicht gradlinig, oder chronologisch (tangled up in blue) verläuft und dabei doch ab und an herzzerreißend einfach (I want you so bad) und tiefgründig (lovin' you is the one thing I'll never regret) ist, kann so viel Trost spenden in dunklen Stunden. Mit seinen Worten würde ich mich, wenn mich mal wieder das Fernweh allzu heftig packt, gerne von allen verabschieden (just tell her that I went to Timbukto, tell her I'm searching for gold) und einfach verschwinden. In seinem Spätwerk finde ich den Trotz, der mich selten aber manchmal packt, wenn ich eine alte Liebe vergessen will, aber es nicht kann (I'm love sick, I wish I'd never met you). Die Liste ließe sich lange fortführen. Ich trage Dylan im Herzen, manchmal sogar direkt unter der Haut und eigentlich immer im Sinn. Ich habe schon einigen Menschen einen Dylan-Song "geschenkt" und immer war er mit Bedacht ausgewählt...

Schlussendlich macht Dylan eine never-ending-Tour in meinem Kopf, seit ich ihm einmal Einlass gewährt habe. Seid also gewarnt! Es gibt zur Gefahrenvermeidung einen Cover-Song, der es aber in sich hat. Cover-Songs sind noch einmal ein eigenes Kapitel für sich...

 The White Stripes - One more cup of coffee

Bob darf sich zum Geburtstag was wünschen: "Now I wish I could write you a melody so plain, that could hold you dear lady from going insane, that could ease you and cool you and cease the pain of your useless and pointless knowledge." Ich würde sagen, das hat er geschafft. Alles Liebe, alter Mann!
p.s.: Ein kleines PS habe ich noch zu verkünden, dass Euch, werte Leser, möglicherweise nicht nur nachdenklich sondern auch ein wenig traurig stimmen wird, aber ich denke, an einem Pfingstmontag ist das gestattet. You may not see me tomorrow. Behaltet diesen Satz im Kopf, wenn Ihr Euch voneinander verabschiedet, geht nicht im Bösen auseinander. Habt ihn im Sinn, wenn Ihr morgens die Augen öffnet. Tragt ihn im Herzen, so weit Ihr ihn ertragt. Das Wissen darum, dass es morgen vorbei sein kann, löst einen Schwindel in uns aus. Wir müssen ihn aushalten, dann bereichert er unser Leben. Schenkt uns statt banal verstrichener Jahre intensive gelebte Sekunden. Wir müssen dabei aber acht geben, dass er uns nicht hinfallen macht - der Schwindel des Seins.

Sonntag, 16. Mai 2010

do what you do: Per Anhalter durchs Netz (Serie, Teil 11)

Ein Phänomen sprachlicher Natur, das mich schon seit längerem beschäftigt, ist die Tautologie. Genau genommen interessiert mich dabei nicht die schnöde aussagenlogische Tautologie, die ihrerseits schnöde aussagenlogische Wahrheiten verkündet ("Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist." oder, diese Wendung illustriert das noch viel besser: "Was liegt, liegt."), sondern die rausgerutschte Tautologie, die uns immer wieder in unserem alltäglichen Sprechen passiert ("Der Südplatzspäti, der Späti am Südplatz."). Warum äußern wir etwas derart Überflüssiges, wo doch nach dem Kooperations- und Konversationsprinzip von Grice  Redundanz eine Sünde ist? "Pah, komm uns doch nicht mit diesem Old-School-Linguisten und seiner starrsinnigen Prinzipienreiterei!!" werden meine postdekonstruktivistischen linguistischen Widersacher jetzt maulen... "Ihr habt Euch zu wenig mit dem mentalistisch denkenden Grice beschäftigt." werde ich zurückmaulen. Beide Seiten verschränken die Arme, ziehen eine beleidigte Schippe, müssen nach einem kurzen Western-Anstarr-Duell aber grinsen und fallen sich dann lachend in die Arme. 

Zurück zu den Tautologien im Alltag. Wenn wir sie so unwillkürlich äußern, dann haben sie wohl auch einen Mehrwert an Information, oder? Natürlich haben sie den, klärt uns das sprachwissenschaftliche Wörterbuch auf - stilistisch, metaphorisch... Manchmal sind sie aber auch tatsächlich redundant ("ich persönlich") oder redundant aus Unkenntnis ("LCD-Display", "Guerillakrieg"). Aus gesprächsanalytischer und auch psycholinguistischer Sicht sind beide Formen interessant, weil sie uns Aufschluss geben könnten über semantische Felder und (damit zusammenhängend) über die logische Strukturen, in denen wir die Welt organisieren (Oder in denen die Welt organisiert ist? Was würde Kant sagen? Was würde Keith Richards tun?). Warum ist es nötig zu sagen, dass man ein "innerliches Gefühl" hat oder ein "Einzelindividuum" ist? Das wäre ein feines Magisterarbeitsthema, die nicht ganz so selbstverständlichen Tautologien des Alltags zu sammeln und ihnen zu entlocken, wie die Welt in Worten denkt... Empirisch aber sicher schwer umzusetzen, das sehe ich ein. Darum mögen sich an dieser Stelle sowohl linguistische Widersacher wie auch Sprachästheten und nicht zuletzt Wohlgesonnene dazu aufgefordert fühlen, mir Belege zuzuspielen!

Heute ist ja nebenbei auch Sonntag - Anhaltertag. Glücklicherweise kenne ich  ein Lied, das diese theoretischen und heute ausnahmsweise mal wieder linguistischen Überlegungen hervorragend untermalt. Ich mag es so gerne, dass ich es bisher wie einen kleinen Schatz gehütet und nur besonderen Menschen gezeigt habe.


Moriaty - Jimmy
The Buffaloes used to say be what you are
The Buffaloes used to say roam where you roam
The Buffaloes used to say do what you do

So heißt es im Refrain. Und auch wenn mir dabei das schreibende Herz ein wenig blutet, denke ich fast, dass sich die großen Weisheiten, die man über das Leben sagen kann, meistens ziemlich gut in sehr einfachen Tautologien, geradezu Büffeltautologien, ausdrücken lassen. So wie man überhaupt alles große, komplizierte, schwere in einfache Worte fassen können sollte. "Es ist, was es ist." ist eine schöne Tautologie und immerhin, sie entstammt einem anderen schreibenden Herzen. Also keine bedauernden Worte mehr, sondern ein Lob auf die Schlichtheit der Tautologie! Trost kommt mit der Post.

Sonntag, 9. Mai 2010

Aus dem Hut gezaubert: Per Anhalter durchs Netz (Serie, Teil 10)

Berlin hat sich am Wochenende mal wieder in gewohnter Widersprüchlichkeit gezeigt. 

Das Gefühl notorischer underdressedness in der Castingallee: ohne Hornbrille, ohne windschiefe Frisur, ohne Lederjacke, ohne Emil-Mütze und ohne dass es mich sonderlich gestört hätte, immerhin gab es Waffeln!

Die Kiezproblematik: Kaum jemand ist aus seinem Kiez rauszulocken, im eigenen Kiez gibt es genug zu tun und zu verpassen, dass es für ein ganzes Leben reichen würde. Berlin - die ewige Möglichkeitenmaschine.

Tanzbarkeit, wie man sie nicht vermutet hätte, mit einer genial verBalkanBeateten Tetris-Melodie...

Zivilisationsekel im Gedränge eines bratwurstluftgeschwängerten Volksfests...

Kulinarisches Glück mit Falafal wie direkt von einer sudanesischen Uroma...

Wir haben ja schon festgestellt, dass Berlin unter anderem auch musikalisch nicht der Nabel der Welt ist. Darum möchte ich heute alle daheimgebliebenen Berliner drauf aufmerksam machen, dass es noch andere Metropolen gibt, mit besserem indischen Essen, windschieferen Frisuren und erhöhter Tanzbarkeit. Zum Beispiel London. Für alte Indie-Hasen, bei denen ich mich gleich vorträglich entschuldigen möchte, ist der Tipp ein alter Hut (sozusagen ein musikalischer Zaubertrick mit der Antiquiertheit des Karnickels). Alle anderen mögen sich an der Musik von der Insel erfreuen:

 
Zero 7 - Pop Art Blue 

Nachtrag: Ich habe gerade doch noch einen kleinen Trost für alle gefunden, die Zero 7 schon viel zu lange und nicht nur von Soundtracks kennen. But an Old Fashioned Hat anyway. Das waren genug Kalauer für heute.


Anais Mitchell - Old Fashioned Hat

Alles Liebe zum Muttertag

Mittwoch, 5. Mai 2010

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Schwarze Stechpalmen: Per Anhalter durchs Netz (Serie, Teil 9)

Eine Woche ohne neue Musik? Das sollte es nicht geben, auch nicht wenn mich Schweizurlaub verhindert. Darum heute kurz und schmerzlos nachgereicht eine "The"-Band:



The Black Hollies - Gloomy Monday Morning

Obwohl heute schon Mittwoch ist, wird Euch der Song hoffentlich gut über einen gloomy morning bringen. Wer mir sagen kann, was sich bei den Jungs  für musikalische Anspielungen ansammeln, kriegt ein Eis ausgegeben...