Mittwoch, 31. März 2010

Das Parlament tritt auf eine Vorlage ein.

Well, well, well... Urlaub fast beendet, "vorlesungsfreie Zeit" (aka Semesterferien) fast vorbei, Ostern vor der Tür und hier tut sich nix. Momentan überwiegen schlichtweg die Schweiz-Eindrücke vor den Hamburg-Eindrücken. Hamburg muss also mal kurz warten. Denn schließlich galt es soeben eine Busse wegen Trunkenheit auf dem Velo abzuleisten. Wer sich jetzt über die Busse wundert, der sei daran erinnert, dass das Schweizer Alphabet auf das Eszett (Wer zum Teufel schreibt einen "exzellenten Artikel" über das Eszett bei Wikipedia? Ich habe ihn natürlich von Anfang bis Ende durchgelesen und auf Richtigkeit überprüft, bevor ich ihn hier verlinkt habe.) zu verzichten und es auch noch statt Eszett Doppel-S zu nennen pflegt. Natürlich sorgt das bei Schweiz-Unkundigen für Gelächter, wenn man so etwas in der Schweizer Gratiszeitung 20minuten liest (Ein Dankeschön an Anni für die Fötelis!):


Wo kann man in diese Ess-Busse einsteigen? Darf man sich das so vorstellen wie Zug fahren in der 3. Klasse in Thailand oder Bus fahren in Indonesien? Ab und an kommt ein verhutzeltes Weibchen vorbei und schreit "Pop Mie, Pop Mie, Pop Mie, Pop Mie..." und alle Deutschen müssen glucksen vor Lachen? (Oh mein Gott, ich habe gerade einen Homer-Simpson-Donuts-Moment und der Speichel sammelt sich, wenn ich an die Vollverpflegung im südostasiatischen Transportwesen denke...)

Aber nein, es ist ja die standarddeutsche Buße gemeint. Und die galt es also abzuleisten, dafür dass ich einst blau-grün-kariert war. Strafe muss sein, dachte sich die Schweiz. Wirklich linguistisch interessant wird der Unterschied vom Standarddeutsch zum Schweizer Hochdeutsch allerdings, wenn es ums Schilder beschriften geht. Und wie meine treue Fangemeide weiß, bin ich ein großer Fan von Schildern und habe noch gefühlte 20 GB mit abfotographierten Schildern auf meiner Festplatte, die nur darauf warten, bei passender Gelegenheit veröffentlicht zu werden. Nun habe ich gerade einen dieser Momente kunstvoll vorbereitet - et voilà:

Der Klassiker aus Basel

Vor allem die lexikalischen Besonderheiten fallen auf und sorgen ab und an für Verwirrung. Es kann zum Beispiel zu folgendem Dialog zwischen einem Schweizer und einem Nicht-Schweizer kommen  (So ähnlich erst kürzlich erlebt, glücklicherweise war eine Kulturvermittlerin dabei...):


⌐ch: Habt ihr irgendwo eine Pfanne?
  ch: Hier, bitte schön.
⌐ch: Nein, eine Pfanne.
  ch: Das ist doch eine Pfanne.
⌐ch: Nein, das ist ein Topf.
  ch: Nein, das ist eine Pfanne.
⌐ch: Nein, das ist ein Topf.
  ch: Nein, das ist eine Pfanne.
⌐ch: Nein, das ist ein Topf.
  ch: Nein, das ist eine Pfanne.
⌐ch: Nein, das ist ein Topf.
  ch: (denkt) Wenn die noch einmal sagt, die Pfanne wäre ein Topf, dann gehe ich heute Nacht um 4:21 Uhr mit einem Messer auf sie los.

Die Lexikwunder brauche ich aber an dieser Stelle gar nicht alle aufzulisten, das wurde bereits an anderer Stelle ausführlich gemacht. Ich möchte mir nur noch eine kleine Bemerkung erlauben und die betrifft die Umständlichkeit, mit der die Schweizer Verbote zu erteilen belieben. Ich gebe mal ein Beispiel, Pias Lieblingsbeispiel:


Täten es nicht auch diese charmanten Piktogramme, die ich, da ich gerade im RMV-Einzugsgebiet weile, demselbigen entliehen habe?


Wer weiß. Volkskundler bitte vortreten! Ich möchte noch einmal hervorheben, dass ich die Schweizer nicht blamen möchte (Gibt es ein an dieser Stelle angemessenes deutsches Wort dafür, oder gehe ich recht in der Annahme, dass ich es mir nicht ohne Grund zur Angewohnheit gemacht habe, es hier und da dem Englischen zu entwenden?), da ich bisher ausschließlich nette Erfahrungen mit ihnen gemacht habe. Geliebtes Besser-Deutschland... Aber dieser Post ist meine persönliche Rache für den 10 Jahre überdauernden Eintrag im Vorstrafenregister, den ich in einem 1/4 Jahr von der lieben Schweiz bekommen werde, weil ich trunken velorierte...

In diesem Sinne: Bleibt weg von offenen Fenstern, versucht erst gar nicht, in der Schweiz zu trampen und hati hati: Bissiges Parlament!

p.s.: Ich habe jetzt schon von mehreren Kommentarzurückhaltern erfahren, meist senden sie mir die Kommentare dann klammheimlich persönlich per Mail. 'S doch schad' drum! Traut Euch doch, aus'm Bauch heraus was zu schreiben. Das ist ja hier kein Hörsaal mit 300 besserwisserischen Studenten sondern eine Meinungsaustauschungsmaschine.

Sonntag, 28. März 2010

du chasch es ha we de wosch: Per Anhalter durchs Netz (Serie, Teil 3)

Ich gebe es zu: die inhaltliche Arbeit am Blog stagniert. Das liegt vielleicht daran, dass ich momentan mit meiner Lieblingsfrau Anni im Basel-Urlaub bin und mich daher nicht selbst von wichtigerem ablenken muss. Aber das neue Semester fängt bald wieder an und dann werden in zahlreichen Nachtschichten neue Geschichten über Sprache erzählt werden. Bis dahin vertröste ich Euch mit wunderbarer 90er-Jahre-Mucke aus der Schweiz. Man möge bitte den Kitsch-Faktor und vor allem das schreckliche YouTube-Standbild entschuldigen. Aber der Song an sich ist klasse. Und damit auch all diejenigen unter Euch, die nicht ein halbes Jahr in der Schweiz leben durften, verstehen, worüber die Herren von Züri West (die übrigens aus Bern, nicht aus Zürich kommen!!) singen, hänge ich die Lyrics mit an.

Züri West - I schänke dr mis härz

i schänke dr mis härz

d'szene isch e chliini bar irgendwo i dere schtadt
u i bschteue e whiskey
u hocke irgendwo ab wos grad platz het
u luege echli ume wär so umenang hocket aber kenne tueni nimer hie inne
überau hocke lüt hinger de schampuschüble geng e frou u e typ
u nippe am ne flüte u hange anenanga u rede öppis über nüt
u nume i bi allei hie u da wächsletds liecht
u hie u da verschwinde wieder zwöi irgendwo
u irgendeinisch geit hinde e dunkelblaue vorhang uf

hinger em vorhang het's e bühni
u uf dr bühni schteit e frou wo i de ungerhose irgendsone schou zeigt

i luege so chli zue u i hocke so chli da
u gschpüre plötzlich dassi irgend sone hang ufem chnöi ha
u dräiie mi um u näbe mir hocket eini won i nie vorhär ha gseh
u fragt öbi alleini sig u sie sig o allei
u i söu nid überlege u i gfau i're no so
u sie wöu eifach echli rede
u villecht sött i hie no säge sie gseht schön us -
sie isch e schöni mit schöne länge haar
u klar bin i närvös worde u klar han i trunke
u mit jedem schluck het sie mi no chli schöner afa dünke
u nach jedem glas champagner het sie geng no eis wöue
u i ha zaut u zaut bis i eifach nümm ha chönne
u ha gseit: hey wei mr nid zu mir oder so
u sie het gseit: i chönnt di so verwöhne
u so ire haub schtung chönnt i cho
u jitz säg mr eifach nume no wieviu - säg wieviu - wieviu gisch mr wenn i chume

i schänke dr mis härz
meh han i nid
du chasch es ha we de wosch
es isch es guets u es git no mängi wo's würd näh
aber dir würd i's gä

p.s.: Liebste Isa, danke für alles und auch für diesen Song!!!

Sonntag, 21. März 2010

Mauerparkmusik: Per Anhalter durchs Netz (Serie, Teil 2)

Der Song, der das Lebensgefühl des heutigen Sonntags am allerbesten wiedergibt:
Dota (die Kleingeldprinzessin) – Kein Morgen

Danke Sarah fürs drauf-aufmerksam-Machen. Danke Pia und Jan für diesen schönen Frühlingsanfang (mit ein bisschen Phantasie hat da gerade das Reimmonster zugeschlagen...)

Mauerparkflohmarkt

p.s.: Eigentlich hätte auch "Sunday Bloody Sunday" sein müssen nach diesem Kiezdance, aber St. Paddys Day ist vorbei und U2 somit wieder in der Box mit den unerträglichen Bands verschwunden.

Mittwoch, 17. März 2010

Krümelkacken für Sprachwissenschaftler

Heute möchte ich eine Plakatwerbung der IHK posten, die mir schon vor einer ganzen Weile aufgefallen ist. Mein erster Gedanke dazu war: "Na ach nee, super Erkenntnis." Klar kommt Standort nicht von stehen bleiben - sonst müsste es ja Standbleib oder Stehbleib heißen.

Montag, 15. März 2010

Mordswenig Lust

Ich möchte hier mal kurz Sarahs Kommentar zum immer-nie-Post an eine prominentere Stelle verschieben, damit über ihre Anmerkung tatsächlich diskutiert werden kann. Viel Spaß beim Analysauseinanderklamüsererieren!
Ich werd es mal wagen als Nicht-Linguistikerin etwas beizutragen, jedoch nicht gleich auf der Sinn-Ebene (trau mich noch nicht) - betrachtet mich eher als die Omi, die hiermit folgende an sich selbst beobachteten Ausdrücke zur Analyse freigibt: Ich hab mich früher gefragt, warum sich einige meiner Klassenkameraden immer wieder schlappgelacht haben, wenn ich sagte, dass ich "mords wenig Lust" auf etwas habe. Sie sagten, das widerspreche sich. Ist das so? Hat das etwas damit zu tun, dass sich die Schule in der Pfalz befand, und ich mich somit im Exil?
Und was mir noch zu "immer nie" einfällt: Kinder essen gerne Nudeln mit ohne Soße, und manch ein Glas ist voll leer...

p.s.: Wenn sich kein Antworter findet, dann antworte eben ich, sobald ich meinen Hamburgbesuch, der von Stunde zu Stunde länger und nicht kürzer wird, beendet habe. Ich habe da schon so eine Vermutung...

Sonntag, 14. März 2010

Sonntagsmusik: Per Anhalter durchs Netz (Serie, Teil 1)

Auch wenn das hier ein linguistisches Blog sein will, werde ich von nun an an dieser Stelle immer sonntags (wenn ich's schaffe) neue Musik reinstellen. Da bin ich jetzt einfach mal Diktator. (Man erinnere sich an meine  größenwahnsinnigen und missbräuchlichen Anwandlungen im Baselblog. Bloggen versaut eben den Charakter.) Ich hab gerade so viel Input getankt, das muss ich mit Euch teilen. Wenn der Vorrat aufgebraucht ist, werde ich mich selbst auf die Suche nach neuen Entdeckungen begeben und zwar per Anhalter durchs Netz...

Rezső Seress - Szomorú Vasárnap

Das Lied ist zwar absolut nicht neu und sicher auch vielen bekannt, aber aus gegebenem Anlass und weil es eine Sonntagsserie ist, soll es der erste Track werden. Ab nächster Woche wird es dann aber lustiger. Versprochen.

Delektierende Dialekte

Da dialektale Eigenheiten einen immer wieder zum Schmunzeln bringen, möchte ich auch diesmal etwas aus der Rubrik "Delektierende Dialekte" beitragen. Vor einer ganzen Weile unterhielt ich mich mit ein paar Freunden über die Dialekte, die wir jeweils sprechen. Es war ein hin und her zwischen "Kennst du den Begriff...?", "Wie sagt man denn bei euch zu...?" und "Das hab ich ja noch nie gehört!". Zu letzterer Kategorie gehörte für mich an diesem Abend eindeutig die Wortform "eingehoften", dass mir als das Partizip Präteritum von "einheften" vorgestellt wurde. Trotz der großen Toleranz gegenüber Dialekten, die ich im Laufe meines Studiums bekommen habe, musste ich erstmal herzlich lachen (aber ich habe mich natürlich nicht lustig gemacht, tstst!). Die Person, die mir das Wort nannte und die beim Aussprechen desselbigen nicht mal rot wird, kommt aus der Nähe von Cottbus und da spricht man Lausitzisch (was wiederum zum Oberdeutsch-Südmärkischen gehört). Die Form eingehoften ist sehr interessant, sie sieht nämlich aus wie die eines starken Verbs: der Ablaut von den starken Verben und deren Endung -en für das Partizip Präteritum (wie bei geschwommen). So, und jetzt der linguistische Knaller: einheften ist gar kein starkes Verb, standardsprachlich heisst das Partizip Präteritum eingeheftet (ohne Vokalwechsel und mit Dental-Suffix). Ich musste meine Freundin dann natürlich gleich fragen, wie sie das Präteritum bildet. Ich heftete ein! Nicht Ich hoft ein, wie ich es mir erhofft (Wortwitzalarm!) hatte.
Mittlerweile kenne ich sogar noch jemanden, der dieses Wort in dieser Form benutzt - jemand aus der Nähe von Wittenberg und das zählt auch noch zum Oberdeutsch-Südmärkischen. Im Internet finden sich übrigens auch Belege dafür: wusstet ihr, dass die Becher von Dr. Oetkers Schokopudding mit Vanilleflecken nicht aneinandergehoften sind, sondern einzeln verpackt werden?

Freitag, 12. März 2010

Auch Hackepeter wird...

Wer den Bremer Sprachblog oder mich auf Facebook kennt, kennt auch dieses Bild vom Flughafen in Bergen/Norwegen: 
                                   
Ich habe mich damals wie Bolle jefreut und gedacht "Ha, wie lustig! Wie einzigartig!" Aber Pustekuchen. Es gibt einige lustige "Tabuschilder". Ich würde Euch gerne an dieser Stelle meine Funde präsentieren. Wer mein Basel-Blog gelesen hat, weiß ja auch, dass ich eine übergroße Schwäche für Schilder habe... Und dann auch noch Kloschilder - wie toll!!!

Ob das in echt wohl auch blinkt?

Obwohl es sich um ein Piktogramm handelt, finde ich es irgendwie eklig. Sagt uns das nicht einiges über Repräsentation, Referenz, Weltwissen und Spiegelneuronen? Ich hab beim Einführungskurs in der Semantik/Semiotik nicht so gut aufgepasst... Sebastian?

Erinnert an das Beispiel von Anatol Stefanowitsch. Irgendwie niedlich.

Ab hier wird es schräg. Das Tabu wird also entschärft, indem Tiere als Repräsentanten genommen werden... Interessant. Ethnologen und Volkskundler bitte vortreten!

Und dieses vermutlich in Thailand (siehe Schrift im Hintergrund) aufgenommene Beispiel kommt fast schon mit dialektischer Wirkmächtigkeit daher. Musste ich irgendwie an Kurt Krömers Hackepeter-Spruch denken.

Das hier gefällt mir auch, weil ich mich immer schon gefragt habe, wie man Strichmännchen ein Geschlecht geben kann und die Varianten mit Rock und ohne Rock finde ich nicht besonders zeitgemäß und originell.

 
Ganz zum Schluss noch ein von Juli und mir im realen Leben selbstgefundenes Beispiel für ein herziges Kloschild, übrigens im schönen Basel. Julis Kommentar: "Ich fotographiere Paula beim Schweinkram fotographieren." Wenn das mal nicht die Metaebene höchstpersönlich ist...

Donnerstag, 11. März 2010

Ich habe dort noch eine Magisterarbeit zu liegen

Im ersten Treffen in der Nerdzentrale gab es auch eine Diskussion, ob es deutsche Muttersprachler gibt, denen man ihre dialektale Herkunft nicht (mehr) anhört. Ich habe eine Freundin aus Mecklemburg, die ich als Paradebeispiel dafür angebracht habe, dass man ihr ihre Herkunft nicht anhören könne - sie spreche einfach nur hochdeutsch. Aber ich musste mich hier eines besseren belehren lassen. Sie ist nämlich nicht nur meine Freundin, sondern auch die von Sebastian und ihm ist gleich ein ganz typischer Ausdruck von ihr eingefallen, der sie als Dialektsprecherin "entlarvt". Und zwar Ausdrücke wie diesen: Ich habe auf meinem Tisch noch ein Buch zu liegen. Standardsprachlich müsste der Satz eigenlich Ich habe auf meinem Tisch noch ein Buch liegen. heißen. Ich empfinde diesen Satz als ungrammatisch und würde ihn so auch nicht verwenden. Im Internet findet man, wenn man die Konstruktion "zu liegen" googelt (oder lieber umweltfreundlich znoutet), tatsächlich zwei Diskussionen zum Thema: eine von einem gewissen Herrn Sick, der dieses "ausgefallene sprachliche Prinzip" aber sprachwissenschaftlich nicht erklärt, sondern lieber von einer abendlichen Fahrt durch Berlin berichtet. Der zweite Treffer ist eine Diskussion zwischen ein paar Internetnutzern. Auch hier verhärtet sich der Verdacht, dass die Konstruktion "zu liegen" irgendwie norddeutsch ist, sogar von brandenburgischem Infinitiv ist die Rede. So weit so gut, aber wie kommts? Ich denke, der Schlüssel zum Ganzen ist haben und die Verbindung mit liegen durch einen zu-Infinitiv. Der Satz Ich habe noch ein Buch zu lesen. ist ganz normal (oder doch nicht?) - also kann es am "Gehalt" des folgenden Infinitivs liegen. Lesen bezeichnet einen dynamischen Vorgang, wohingegen liegen einen statischen Zustand bezeichnet. Vielleicht liegt also hier der Schlüssel.
Ich habe auf meinem Schreibtisch jetzt aber noch eine rudimentäre Magisterarbeit zu liegen - überhaupt, aus einer statischen Magisterarbeit muss langsam mal eine dynamische werden! Macht Sinn, oder?

So spricht die Welt in Schildern...

Fand ich ja ziemlich witzig, aber vielleicht bin ich auch die einzige, die sich noch ans analoge Zeitalter erinnert ;)

Nur Mut!

Toll, jetzt hab ich mir wieder zu viel Mühe gegeben und alle anderen sind eingeschüchtert. So wollte ich das aber ganz und gar nicht haben! Oder habt Ihr etwa wirklich auch noch was Wichtiges zu tun ;) Jedenfalls will ich an dieser Stelle anmerken, dass im Blog natürlich nicht nur Beiträge mit hehren Ansprüchen und sprachlicher Raffinesse gepostet werden dürfen, sondern auch Links, Tipps, kurze Notizen. Blog heißt doch Spielwiese. Bei Spielwiese denke ich an Blogwiese, einen amüsanten Schweiz-Deutschland-Kontrastiv-Blog. Und da habe ich neulich einen wirklich zum Schreien komischen Post gelesen: "Über die sprachliche Kreativität in militärischen Kreisen"

Ich darf mal kurz Herr Wieses Auswahl zitieren:

Ackerschnacker: Feldtelefon (Reichweite reicht knapp über den „Acker“, ca. 1,8 km)

Biwak: Bezeichnung für Übung mit Aufenthalt und Übernachtung auf einem Truppenübungsplatz, meist im Zelt, scherzhaft deshalb auch Bundeswehr im Wald außer Kontrolle oder auch Besonders im Winter arschkalt

Bilder stellen: Das Vortäuschen von Aktivität, wenn eine Führungsperson eintrifft, um das Fehlen einer Aufgabe zu vertuschen

Boden-Luft-Verbindungsoffizier: Militärpfarrer

Bumsknochen: Gewehr

Büchsenöffner: Panzerfaust

EPA: Abgeleitet von „Einmann-Packung“; Bezeichnung für Verpflegungspaket aus stark konservierten Lebensmitteln, die angeblich bis zu 100 Jahre haltbar sein sollen. Scherzhaft genannt Erbrochenes Pikant Aufbereitet, da der Inhalt eines EPA aufgrund des oft als sehr schlecht empfundenen Geschmacks mit Erbrochenem verglichen wird.

Kampferdbeere: Soldat, der im Feld zur sonst perfekten Tarnung das rote Barett trägt.

Legogewehr: Scherzhafte Bezeichnung für das Sturmgewehr G36, da es bis auf Lauf, Verschluss, Federn und einige Kleinteile völlig aus Kunststoffen gefertigt ist (siehe auch Tupperteil, Plastepengpeng).

Stetten am kalten Arsch: Albkaserne bei Stetten am kalten Markt auf der schwäbischen Alb. Gerüchteweise ist dort im Sommer mal eine Ziege erfroren. Ironischerweise auch „Stetten am karibischen Meer“ genannt.

ZMAS: Befehl, Kurzform für „Zu mir, aber schnell!“

ZMZZ: Befehl, Kurzform für „Zu mir, Ziemlich zügig!“

ZMZZSPMDA: Befehl, Kurzform für „Zu mir, ziemlich zügig, sonst platzt mir der Arsch!“

(Quelle: Wikipedia)

Tja, diese phantastische Liste sollte ab und an durchforstet und die gefundenen Perlen hier gepostet werden, wenn Ihr mich fragt... Sehr lohnend ist übrigens der Abschnitt über die NVA!

Mittwoch, 10. März 2010

Sprache und Identität

Ich habe eine Tante in Finnland, sie ist vor π mal Daumen zwanzig Jahren aus der DDR ausgewandert und über Umwege in Finnland gelandet. Mittlerweile ist sie finnische Staatsbürgerin. Sie spricht perfekt Finnisch. Wenn man einem Proseminar der Uni Münster Glauben schenken darf, dann handelt es sich dabei immerhin um eine der schwersten Sprachen der Welt. Síe spricht also perfekt Finnisch. Sie spricht mittlerweile leider etwas holperiges Deutsch. Wenn sie eine Weile bei uns in Berlin auf Besuch ist, wird ihr Deutsch besser, aber ihre E-Mails sind manchmal abenteuerlich, wenn auch immer sehr schön. Kann man seine eigene Muttersprache verlernen? Meine Vermutung war immer gewesen, dass ihr "Muttersprachverlust" etwas mit der gänzlich nicht-indoeurpäischen Grammatik des Finnischen zu tun hat. Aber Sebastian hat mich auf eine bessere Idee gebracht. Meine Tante ist sehr finnland-patriotisch. Sie hat ihre deutsche Identität gänzlich abgelegt und eine finnische Identität angenommen. Sebastian erklärte mir, dass das der Grund für ihre perfekte Beherrschung des schwierigen Finnischen und für ihr holpriges Deutsch sein könnte. Und er erklärte mir auch, dass meine Vermutung zumindest nicht ganz falsch sei, weil gewisse grammatische Muster der (ich nenne es mal) "Identitätssprache" mit den grammatischen Strukturen anderer erlernter Sprachen interferieren. Das kann man sich etwas vereinfacht so ähnlich vorstellen wie bei Sprechern des Deutschen, die Englisch radebrechen und bei der Bestellung im Restaurant sagen: "I become a schnitzel, please!" Dabei soll man doch verdammt noch mal vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht. Jedenfalls eine ziemlich lustige Vorstellung. Ich finde leider kein passendes Bild, kann jemand weiterhelfen? Um aber zum Thema zurückzukommen und das Label zu rechtfertigen, das alles wäre eine interessante Arbeit, die ich leider nicht schreiben können werde. Vielleicht gibt es dazu ja auch schon Forschungen, aber vermutlich nicht - so sehr wie der Idiolekt als Forschungsgegenstand bisher ausgeklammert wurde. Und sicher ließen sich zum Thema "Identität und Sprache" noch viele andere Beispiele, beziehungsweise interessante Interviewpartner finden...

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p.s.: Meine liebe Tante in Finnland, die Du sicher mitliest: Ich hoffe, Du bist mir nicht böse, dass ich Dich hier als linguistischen Untersuchungsgegenstand analysiere. Natürlich bist Du für mich in erster Linie eine wundervolle Frau und trotz der Entfernung eine mir sehr nahe stehende Person, die ich wahnsinnig lieb habe!

immer nie

Ich will mal den Anfang machen. Leider habe ich unsere Küchentischgespräche nicht protokolliert und muss jetzt ganz schön in meinem Gedächtnis graben (sogar mit der Ernsthaftigkeit einer naturwissenschaftlichen Archäologin*), um eines der Themen wieder auf den Schirm zu bekommen.

Äh... Mhm... Tja... Also, da fällt mir mein allerallerallererstes Magisterarbeitswunschthema wieder ein. Mir ist mal aufgefallen, was für eine eigentlich unsinnige Konstruktion es ist, wenn man sagt: 

Ich bin immer nie dazu gekommen, das Auto zu waschen.**

 Dennoch ist es eine akzeptable Aussage, die auch nicht so ohne weiteres durch einen anderen Satz ersetzt werden kann und die einen ganz bestimmten Sinn transportiert, der irgendetwas mit einem größeren Zeitrahmen zu tun hat. Ich habe mich zunächst an die russischen Aspekte erinnert gefühlt. Und an die im Englischen und Französischen mit eigenen Zeitformen ausdrückbaren Verlaufsformen einer Handlung. Möglich sind auch andere "Verneinungen + immer": 

Ich habe immer nicht gewusst, wie ich ihm darauf antworten soll.
Ich habe immer keine Zeit dafür gehabt.
Was sagt uns das jetzt? Wie könnte man das analysieren? Ich habe bereits ein wenig im COSMASII-Korpus des IDS recherchiert und nur Metaaussagen darüber gefunden, dass das eigentlich eine unsinnige Aussage ist, dieses immer nie. Auch das Archiv für Gesprochenes Deutsch des IDS ist noch viel zu rudimentär, um etwas Anständiges zu finden. Aber es gibt ja noch Chat-Korpora etc. Wie könnte man dem Phänomen auf die Spur kommen? Ich halte es eher für eine mündlich-sprachliche Erscheinung. In Interviews oder Fragebögen provozieren, dass die Sprecher genau dieses Wendung formulieren, stelle ich mir eher schwierig vor. Aus genau diesem Grund habe ich das Nachdenken über diese Frage irgendwann eingestellt. Aber vielleicht hat ja jemand anderes eine Idee oder eine Intuition?! Ich bin gespannt.

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*Wir legen eine Gedenkminute für Lea ein.
** Einigen wir uns in feiner, linguistischer Manier darauf, Beispielsätze mit kursiver Schrift zu kennzeichnen? Sollen wir sie durchnummerieren? Wie markiert man eigentlich, dass man sie selbst konstruiert hat und es sich nicht um ein authentisches Sprachdatum handelt?

Worüber ich fast mal meine Magisterarbeit geschrieben hätte...

Angefangen hat alles mit einer heimatlosen Paula, die in Leipzig blockseminarieren wollte und ein Schlafplätzchen suchte. Julia ist sofort eingesprungen und sie und Sebastian haben mich sehr liebevoll und herzlich, fast wie Mutti und Vati persönlich, beherbergt (meldet Euch doch mal bei couchsurfing.org an, Ihr seid die Über-Hosts!!!!). Die Abendstunden haben wir uns mit nerdigen Gesprächen vertrieben, die meist um Linguistereien kreiselten. Was hatten wir für einen Spaß! Jedenfalls kamen in diesem Gespräch immer wieder Themen zur Sprache, die einer von uns gerne in einer Magisterarbeit verwursten würde, aber leider kann man ja nicht über jeden Unsinn eine Magisterarbeit schreiben (zumindest nicht als Einzelperson). Aus diesem Grund soll dieser Blog (auf welches Genus wollen wir uns einigen?) als Ideenfundgrube dienen. Als Treffpunkt für linguistischen Unsinn. Der Sprachlog, ehemals Bremer Sprachblog, ist ja eher ein seriöser linguistischer Treffpunkt im Netz. Wir wollen aber auch Spaß haben. Also: LEGT LOS!