Mittwoch, 10. März 2010

immer nie

Ich will mal den Anfang machen. Leider habe ich unsere Küchentischgespräche nicht protokolliert und muss jetzt ganz schön in meinem Gedächtnis graben (sogar mit der Ernsthaftigkeit einer naturwissenschaftlichen Archäologin*), um eines der Themen wieder auf den Schirm zu bekommen.

Äh... Mhm... Tja... Also, da fällt mir mein allerallerallererstes Magisterarbeitswunschthema wieder ein. Mir ist mal aufgefallen, was für eine eigentlich unsinnige Konstruktion es ist, wenn man sagt: 

Ich bin immer nie dazu gekommen, das Auto zu waschen.**

 Dennoch ist es eine akzeptable Aussage, die auch nicht so ohne weiteres durch einen anderen Satz ersetzt werden kann und die einen ganz bestimmten Sinn transportiert, der irgendetwas mit einem größeren Zeitrahmen zu tun hat. Ich habe mich zunächst an die russischen Aspekte erinnert gefühlt. Und an die im Englischen und Französischen mit eigenen Zeitformen ausdrückbaren Verlaufsformen einer Handlung. Möglich sind auch andere "Verneinungen + immer": 

Ich habe immer nicht gewusst, wie ich ihm darauf antworten soll.
Ich habe immer keine Zeit dafür gehabt.
Was sagt uns das jetzt? Wie könnte man das analysieren? Ich habe bereits ein wenig im COSMASII-Korpus des IDS recherchiert und nur Metaaussagen darüber gefunden, dass das eigentlich eine unsinnige Aussage ist, dieses immer nie. Auch das Archiv für Gesprochenes Deutsch des IDS ist noch viel zu rudimentär, um etwas Anständiges zu finden. Aber es gibt ja noch Chat-Korpora etc. Wie könnte man dem Phänomen auf die Spur kommen? Ich halte es eher für eine mündlich-sprachliche Erscheinung. In Interviews oder Fragebögen provozieren, dass die Sprecher genau dieses Wendung formulieren, stelle ich mir eher schwierig vor. Aus genau diesem Grund habe ich das Nachdenken über diese Frage irgendwann eingestellt. Aber vielleicht hat ja jemand anderes eine Idee oder eine Intuition?! Ich bin gespannt.

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*Wir legen eine Gedenkminute für Lea ein.
** Einigen wir uns in feiner, linguistischer Manier darauf, Beispielsätze mit kursiver Schrift zu kennzeichnen? Sollen wir sie durchnummerieren? Wie markiert man eigentlich, dass man sie selbst konstruiert hat und es sich nicht um ein authentisches Sprachdatum handelt?

4 Kommentare:

  1. Hmhm, zwei Anmerkungen: 1. "unsinnig" ist so wertend, es wird produziert, also muss es einen Sinn haben (wenn man von sowas überhaupt sprechen kann), 2. als empirisch arbeitender Sprachwissenschaftler darf man natürlich keine Sätze konstruieren, obwohl: zu Illustrationszwecken sei es erlaubt. Nerdalarm! Ansonsten ein sehr schöner Anfang. *thumbs-up*

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  2. Vielen Dank, so habe ich mir das vorgestellt!
    ad 1. In der germanistischen Linguistik wird man ja leider nicht so diszipliert, was das Nicht-Bewerten von sprachlichen Äußerungen angeht... Bastian Sick und alle schlechten Deutschlehrer sind Schuld - an allem! Auch an der Klimaerwärmung. Insofern bin ich sehr glücklich, dass wir einen Allgemeinen Sprachwissenschaftler mit an Bord haben. Ich werde in Zukunft mehr darauf achten.
    ad 2. Ich habe ja gleich mit dem Problem ausgeführt, wie schwierig es ist, an echte Sprachdaten zu kommen. Ich werde aber die Lauscherchen offen halten und gegebenfalls mitschreiben, wenn eine Omi im Bus etwas Entsprechendes äußert. Aber da melden sich dann vielleicht wieder einige zu Wort, die das forschungsethisch unvertretbar finden, dass ich mir nicht die schriftliche Zustimmung der Omi holen werde... Schwieriges Terrain, diese Linguistik ;)

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  3. p.s.: Gerade ist mir aufgefallen, dass Du davon sprichst, dass die sprachliche Äußerung "einen Sinn hat". Ich finde es fabelhaft, dass gleich im ersten Kommentar die Sinnfrage gestellt wird. Dafür sind wir schließlich hier!! Das wird ein Spaß!

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  4. Ich werd es mal wagen als Nicht-Linguistikerin etwas beizutragen, jedoch nicht gleich auf der Sinn-Ebene (trau mich noch nicht) - betrachtet mich eher als die Omi, die hiermit folgende an sich selbst beobachteten Ausdrücke zur Analyse freigibt: Ich hab mich früher gefragt, warum sich einige meiner Klassenkameraden immer wieder schlappgelacht haben, wenn ich sagte, dass ich "mords wenig Lust" auf etwas habe. Sie sagten, das widerspreche sich. Ist das so? Hat das etwas damit zu tun, dass sich die Schule in der Pfalz befand, und ich mich somit im Exil?
    Und was mir noch zu "immer nie" einfällt: Kinder essen gerne Nudeln mit ohne Soße, und manch ein Glas ist voll leer...

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